Laura Sperl: Im Prozess
3. August. – 4. September 2022
Performance – Prozess – Fotografie
Ein Teil des Raumes ist mit schwarzer Folie ausgelegt, acht Wannen sind an drei Seiten aufgestellt. Im Rotlicht wirken sie schwarz, stellen sich später jedoch als grün heraus. In der Mitte des Raums ist das eigentliche Objekt abgehängt. Von zwei zierlichen Gevierten mit je sieben horizontalen und zehn vertikalen Latten hängen 280 helle, vielleicht einen halben Zentimeter breite weiße Schnüre herab. Das Publikum lässt sich erwartungsvoll vor diesem Bühnenraum nieder. Die Szene verdoppelt sich in einem wandfüllenden Spiegel, Ambient Music umspült sie, das Rotlicht filtert sämtliche Gegenstandsfarben aus.
Belichten, entwickeln, stoppen, fixieren, wässern lautet die Abfolge, die alle, die im Fotolabor analoge Prints herstellen, verinnerlicht haben. Der Prozess gehört zum Werk. Beim Printen und umso mehr bei einer Performance, in welcher der Akt der Belichtung und Entwicklung zum performativen Akt wird. Die Künstlerin ist zugleich Autorin und Akteurin, Choreografin und Motiv, Produktionsleiterin, Laborantin, Stylistin, technische Ausstatterin und Timekeeper. Die Spannung steigt, als sich Laura Sperl und ihre Assistentin Clara Jansá zwischen den Schnüren platzieren, dicht hintereinander, um diese mit ihren Körpern zu verdecken, die Beine geschlossen, die Arme auf halber Höhe zur Seite gestreckt. Sie verharren in ihrer Position. Dann ein Auslösegeräusch und unmittelbar darauf grell und raumfüllend ein Blitz, dessen Licht die Schatten der beiden Körper, die es frontal trifft, inmitten der lichtempfindlichen Schnüre abdrücken soll.
Wie so oft in der Fotografie steht der Moment des Auslösens in keinem Verhältnis zu den wochenlangen Vorbereitungen, der Materialrecherchen, Belichtungstests, Einkäufe, Konstruktion des Objekts und dem Beschichten der Schnüre mit Fotoemulsion und er steht auch in keinem Verhältnis zu den nachfolgenden Prozessen – Entwickeln, Stoppen, Fixieren und Wässern –, die einen Großteil der Performance von nun an ausmachen. In jeweils zwei Wannen werden die gut zwei Meter langen Schnüre getaucht, geschwenkt, geschwärzt und wieder herausgehoben, gestoppt, geschwenkt und wieder herausgehoben, fixiert, geschwenkt und wieder herausgehoben, gewässert, geschwenkt und wieder herausgehoben. Der saure Geruch von 26 Liter Fixierer bleibt zurückhaltend. Auch die Figur will deutlicher werden, will eine eindeutige Spur hinterlassen, eine weiße Silhouette inmitten der schwarzen Schnüre. Sie ist zurückhaltend, aber je länger man sie sucht, desto klarer sieht man sie.
Die Performance gibt einen Eindruck, was Laura Sperl an der Fotografie interessiert: das Experimentelle des Analogen, Fotogramm und Cyanotypie als unmittelbarste Arten der Aufnahme (Objekt und lichtempfindlicher Träger berühren einander dabei), die Arbeit in der Dunkelkammer, zugleich im Bild und vor dem Bild zu sein oder besser: mittendrin –, die Oberflächen und Farben der Bildträger (siehe ihre Serie der Schattenbelichtungen), der Abbildungsmaßstab, die Projektion eines Körpers auf eine Fläche, das Berühren, das Ausführen, die Performance im Vergleich zum Dokument, kurz: der körperliche Akt des Analogen.
Seesaw (2020) und Brückenperformancebelichtung (2021) sind ebensolche programmatischen Werke, in welchen jeweils die Performance und das dabei entstandene „Stück“ einander bedingen. Die temporäre, bewegte Aktion wird aufgezeichnet (sei das buchstäblich mit dem Bleistift, mit Video oder mit Fotografie) und produziert währenddessen ein Werk, das im traditionellen Verständnis von Kunst eine Form, ein Volumen, ein Maß und eine Materialität hat. Prozess und Produkt greifen ineinander, Dunkelheit und Licht, Performance und Dokument, Bewegung, Tanz und Aufzeichnung. Die im Rahmen des Start-Stipendiums des BMKÖS entwickelte „Belichtungsperformance“ lässt Laura Sperls Interesse am „Verschwinden und Auflösen, am Ephemeren und Fragilen“ erahnen sowie an der Haut, jener Oberfläche, die dem Sehsinn zugewandt ist, aber auch berührt werden will, empfindsam ist und jede Berührung sofort von ihren Oberflächensensoren an unser Zentralnervensystem weiterleitet. „Im menschlichen Kontakt ist man unweigerlich auf die Haut angewiesen, sie ist jener manifestierte Ort des anderen, der dem Blick und der Berührung zugänglich ist.“
Der Text entstand im Rahmen des Mentoring Programms der Akademie der bildenden Künste 2022.
Autorin: Ruth Horak
Performance Dokumentation: Ulrich Sperl